Liebe Maus!

Ich bin 34 Jahre alt und gucke Dich schon, seit ich ein kleines Mädchen war. Auch heute noch nehme ich mir gerne sonntags die Zeit und lerne bei Dir neue spannende Dinge.
Du bringst wöchentlich vielen Kindern – den Erwachsenen von morgen – tolle Sachen bei und gibst ihnen Einblicke (und regst damit Gedankenwelten an), die sie sonst vielleicht nicht gehabt hätten.
Heute habe ich allerdings zum ersten Mal etwas bei Dir gesehen, was mich ehrlich entsetzt hat. Im Nachklapp zur Sendung wurden Mützen vorgestellt, die ein Junge namens Clemens gefertigt hatte.

Ja, Du musst viel vereinfachen, Informationen selektieren und Informationen in bekömmliche Häppchen schneiden, damit die Kinder sie problemlos aufnehmen können. Das ist eine große Verantwortung.

Aber ernsthaft: „Clemens ist Autist. Das heißt, er hat es nicht so mit Lesen und Schreiben.“ Das ist das, was Du und dein Team zu dieser nicht gerade sehr seltenen Behinderung in die Köpfe von Kindern pflanzt? Dieser simple Satz sagt im Grunde – undifferenziert interpretiert, da für die meisten Kinder Lesen-und-Schreiben-lernen ja die Norm ist – aus: „Alle Autisten sind dumm.“ Und mit diesem Samen, den Du in die Kinderköpfe legst, wachsen sie heran. Er wird Wurzeln schlagen, sich verzweigen und Früchte tragen. Nicht bei allen, aber sicherlich bei vielen. Denn die Maus, das ist ja eine Institution. Eine „gute“ Sendung, eine die die Wahrheit sagt, der man vertrauen kann.

Gerade mit der noch relativ nahen Vergangenheit und Gegenwart, dass viele Menschen mit Behinderungen für debil gehalten wurden und noch werden, finde ich diese Reduzierung stark problematisch.

Und nein, ich habe keinen Autismus, auch kein Familienmitglied, das Autist*in ist und ich bin sicherlich auch nicht perfekt und mache Fehler im Umgang mit anderen Menschen. Dennoch hat mich dieser Satz und die damit einhergehende, fehlende „Awareness“ für so ein sensibles Thema regelrecht fassungslos gemacht.

Auf der Seite von Autimus Deutschland e.V. findest Du viele Informationen zu den Symptomen des Autismus. Schnell zugängliche und ausführliche Infos, die sicherlich alle besser gewesen wären als „Kann nicht lesen und schreiben.“

Über ein Feedback und – noch besser – eine Richtigstellung würde sicherlich nicht nur ich mich freuen.

Liebe Grüße

Shermin

(Diese Mail habe ich eben an die Maus unter maus@wdr.de geschickt. Vielleicht möchtet ihr ja auch etwas dazu sagen, gerne könnt ihr die Mail auch als Vorlage nutzen. Nachdem ich mir vorhin bei  Twitter kurz Luft gemacht hatte, durfte ich ja erfreulicherweise feststellen, dass wir nicht die einzigen waren, denen das übel aufstieß.)

Edit 13.01.: Begrifflichkeit verändert, siehe Kommentare.

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5 Responses to “An die Maus”

  1. Claudia Says:

    Danke für diesen Brief, sage ich als Mutter eines sprachlich sehr begabten Autisten. Aber nimm mir eine Anmerkung bitte nicht übel: ich finde es auch nicht richtig, Autismus als Krankheit zu bezeichnen. 😉

  2. Shermin Says:

    Hallo Claudia,
    nein, das nehme ich dir gar nicht übel. Ich kenne mich mit der Thematik nicht großartig aus und will da sicherlich niemandem auf die Füße treten, indem ich eine Bezeichnung verwende, die unangenehm ist. Was ist denn passender? Bei der Mail ja nicht mehr möglich, aber den Artikel kann ich ja gerne editieren.

    Liebe Grüße

  3. J.P. Says:

    Hallo,
    stimme meiner Vorrednerin zu – Autismus ist keine Krankheit, eine Behinderung aber schon! Somit hat man folglich aber auch keinen Autismus und Menschen im Autismus-Spektrum hören es auch nicht so gern, wenn sie als Mensch mit Autismus bezeichnet werden. Das nur als Formalität! 😉 Aber sonst – danke für die tolle Initiative!

  4. Shermin Says:

    Hallo J.P. – ich habe den Begriff der Krankheit jetzt ersetzt. Ich hoffe jetzt passt es einigermaßen und ich stolper nicht in den nächsten Fettnapf. 😉
    LG

  5. Die Berlin-Kolumne » Blog Archive » Antwort der Maus Says:

    […] Shermin Arif bei An die Maus […]

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